Was ist der Mensch

Krankenhausseelsorgerin Felicitas Haupt verabschiedet sich mit Worten zu Psalm 8

Von Klinkseelsorgerin Felicitas Haupt | Kurzpredigt anlässlich ihrer Verabschiedung im Universitätsklinikum Brandenburg an der Havel am 30. Juni 2024

Ich möchte auch ein Gebet aus der Bibel, einen Psalm mit ihnen teilen, der den Menschen beschreibt, wie wir ihn hier in einer Klinik erleben. Was alles möglich ist, um Menschen zu helfen, was Wissenschaft, Medizin, Technik alles ermöglicht, was Menschen können. Im Psalm heißt es: „Du Gott hast ihn nur wenig geringer gemacht als dich selbst.“ Große Macht hat Gott dem Menschen gegeben. Aber wir erleben auch Grenzen - Ohnmacht. Wir sind nur Teil des Ganzen, Teil der Schöpfung Gottes und Sternenstaub.

Psalm 8
HERR, unser Herr, / wie gewaltig ist dein Name auf der ganzen Erde, der du deine Hoheit gebreitet hast über den Himmel.[1] 3 Aus dem Mund der Kinder und Säuglinge hast du ein Bollwerk errichtet / wegen deiner Gegner, um zum Einhalten zu bringen Feind und Rächer.[2] 4 Seh ich deine Himmel, die Werke deiner Finger, Mond und Sterne, die du befestigt: 5 Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst? 6 Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott, du hast ihn gekrönt mit Pracht und Herrlichkeit.[3] 7 Du hast ihn als Herrscher eingesetzt über die Werke deiner Hände, alles hast du gelegt unter seine Füße: 8 Schafe und Rinder, sie alle und auch die wilden Tiere, 9 die Vögel des Himmels und die Fische im Meer, was auf den Pfaden der Meere dahinzieht. 10 HERR, unser Herr, wie gewaltig ist dein Name auf der ganzen Erde! 

Angedacht zu Psalm 8

Der Mensch zwischen seiner Kleinheit im Angesicht der Welt und des Kosmos und vor dem Angesicht Gottes und doch so groß in seinen Möglichkeiten und seiner Macht. Wie oft, in meinen 25 Jahren als Gemeindepfarrerin, habe ich den Psalm bei Taufen gelesen. Ich empfinde es wunderbar, dass aus dem Lallen der Kinder das Wort Hallelujah entstanden ist: Lobet Gott. Deshalb der Satz: Aus dem Munde der Säuglinge hast Du eine Macht errichtet. Das Lallen ist also Hallelujah Gotteslob und Bekenntnis. Hier im Klinikum hatte ich nur 2mal eine Taufe. Aber zweimal die Woche habe ich den jungen Müttern und Familien zur Geburt ihrer Kinder gratuliert. Wunder der Schöpfung, Geschenke des Himmels, Wer empfindet es nicht so?  Auch wenn ein Kind stillgeboren wird. Auch wenn das Leid sehr groß ist und es allen Mitarbeitern zu Herzen geht, es bleibt das Erkennen, das der Mensch und unser Leben ein Wunder, ein Geschenk aus höherer Hand ist. Nicht alle Geschenke bekommen wir und dürfen sie behalten. Das gilt auch für die Gesundheit. Die Sternenkinder, wir sehen sie, wir geben ihnen Ansehen, kleiden sie ein, betten sie in ein Mosekörbchen. So schaffen die Mitarbeiter Rahmen und Raum, dass die Eltern es annehmen und sich verabschieden können. Wenn das gut gelingt entsteht auch ein spiritueller Raum und es liegt etwas Heiliges darin. Es ist eine Transzendenzerfahrung. Sie geht über uns und unsere Erklärbarkeiten hinaus.                                                                                          

Daneben im Psalm beschrieben die Größe des Menschen. Was ist heute z.B. medizinisch alles möglich. Bleiben wir bei den Kleinsten. Im letzten Jahr wurde ein Junge eingeschult, der mit 350 g auf die Welt kam und sich durch unsere Neonatologie und ihre hervorragenden MitarbeiterInnen entwickeln konnte.“ Was ist der Mensch? Gott, du hast ihn nur wenig geringer gemacht als dich selbst. Du hast ihn zum Herren gemacht über deiner Hände Werk. Alles hast du ihm unter die Füße gelegt.“ Das heißt: Über allem steht der Mensch und beherrscht. Ja, viele wunderbare MitarbeiterInnen beherrschen hier ihr Handwerk. Gott sei Dank! Und sie geben ihr Wissen weiter, teilen es, stehen im Austausch mit Spezialisten an anderen Orten und bilden junge Menschen aus. Alles zum Wohl, meist zur Heilung von so vielen Patienten. Auch die Medizintechnik bietet Wunderwerke. Alle zwei Jahre ist ihr Wissen und Stand überholt. Was für Anforderungen an die Mitarbeiter. Was für ständig steigende Erwartungen der Erkrankten, der Hilfesuchenden. Was für große Verantwortung fachlich und ethisch. „Was ist der Mensch?“ Ja, „Gott, du hast ihn nur wenig geringer gemacht als dich selbst.“ Manchmal ist es schwer Bescheidenheit zu bewahren. Das passt ja auch nicht in ein auf Steigerung orientiertes Wirtschaftssystem und auch nicht zu Zentrumsplänen. Demut ist ein verlorengehendes Wort. Die Palliativmedizin, die in den letzten Jahren auch als eigenständiger Fachbereich anerkannt wurde, verändert manchen Blickwinkel. Gott sei Dank. Es ist spürbar, auch auf unserer Palli. Wir Menschen sind nur wenig niedriger gemacht als Gott. Ein wenig nur, aber dieses etwas weniger spüren wir auch täglich: wie verletzlich, wie sterblich, wie begrenzt wir sind. Und es hilft uns, uns nicht zu überheben über andere, über die Schöpfung und über Gott. Sondern wertschätzend und voll Freude füreinander da zu sein.

 

 

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